Samstag, 24. Januar 2009
 
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Antirassistische Initiative   
Mittwoch, 28. Februar 2007

Österreichs Asyl- und Fremdenrecht ist besonders scharf, restriktiv und menschenverachtend. Doch auch in Deutschland hat die immer strengere Asylpraxis bereits zahlreiche Opfer gefordert. Ein Bericht über die Flüchtlingspolitik 1993 bis 2006 zieht eine makabre Bilanz.

Die Zahl der Flüchtlinge, die in der BRD Asyl beantragten, war 2006 mit 21.000 die niedrigste seit 1983. Zugleich wurden bei 30.756 Entscheidungen des Bundesamtes nur 251 Personen als Asylberechtigte anerkannt (0,8 %). 1.097 (3,6 %) Menschen erhielten einen Abschiebeschutz nach § 60 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes.

Aber für 100 % der Flüchtlinge bedeutet der Aufenthalt in der BRD - egal, wie er endet - einen jahrelangen Kampf gegen den erklärten Grenzabschottungs- und Abschiebewillen des Staates. Ein Marathon, der aufgrund seiner zeitlichen Länge mittlerweile die Kinder und Kindeskinder der ursprünglich eingereisten Menschen betrifft. Ca. 300.000 Menschen leben in der BRD mit sogenannten Ketten-Duldungen oder Grenzübertrittsbescheinigungen in der ständigen Angst vor Abschiebung - z.T. seit eineinhalb Jahrzehnten oder länger.


Mit der Wahl des Begriffes "Freiwillige Ausreise" zum aktuellen UNWORT des Jahres 2006 wird der zynische Sprachgebrauch der PolitikerInnen und Behörden hervorgehoben. Ein verharmlosender Sprachgebrauch angesichts der eigentlichen Gewalt, der die Flüchtlinge staatlicherseits ausgesetzt sind. Eine Gewalt, die auf allen Ebenen das Ziel verfolgt, den Flüchtlingen die Unerreichbarkeit eines Bleiberechts deutlich zu machen, um sie so zur "freiwillen Ausreise" zu zwingen. Wenn die "Rechnung" nicht aufgeht, dann wird der Aufenthalt mit massivem Polizeieinsatz - oft unter Beteiligung sogenannter Abschiebeärzte - beendet.


Abgesehen von den überraschenden nächtlichen Abholungen aus den Wohnungen mit großem Aufgebot und deutlichen körperlichen Gewaltmaßnahmen, werden Menschen auch direkt bei Behördenterminen verhaftet oder aus ihren Betten in psychiatrischen Kliniken zur Abschiebung weggeschleppt. Einige Flüchtlinge werden zur Einnahme von Beruhigungsmitteln genötigt oder vor Injektionen gar nicht gefragt. Minderjährige Kinder werden durch die Abschiebung von Mutter oder Vater getrennt. Angesichts der drohenden Abschiebung und deren vorhersehbaren Folgen gehen viele Menschen in die Illegalität. Vordergründig haben sie sich dadurch zunächst dem Zugriff der Abschiebebehörden entzogen - die Festnahme der jetzt per Haftbefehl Gesuchten ist dann aber nur noch eine Frage der Zeit.


Und selbst die wenigen anerkannten Flüchtlinge sind sich ihres Lebens nicht sicher. Aufgrund von Auslieferungsersuchen - speziell der Türkei - wurden Menschen aus ihren Wohnungen geholt und in Untersuchungs- bzw. Auslieferungshaft genommen. Das sind Menschen, die aufgrund ihrer nachgewiesenen Folter- und Verfolgungserlebnisse nach Artikel 16a des Grundgesetzes Asyl bekamen und plötzlich durch die Festnahme in die akute Gefahr geraten, in den Verfolgerstaat ausgeliefert zu werden.

Die vorliegende Dokumentation beschreibt in fast 5000 Einzelgeschehnissen die Auswirkungen des staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus auf die Betroffenen. Auf Flüchtlinge, die gehofft hatten, in diesem Land Schutz und Sicherheit zu finden, und letztlich an diesem System zugrunde gingen oder zu Schaden kamen. Die jährlichen Zahlen der Dokumentation sind im Vergleich nicht sinkend, sondern bleiben konstant.

Auszugehen ist von einer wesentlich höheren Dunkelziffer.

Die Dokumentation umfaßt den Zeitraum vom 1.1.1993 bis 31.12.2006.

170 Flüchtlinge starben auf dem Wege in die Bundesrepublik Deutschland oder an den Grenzen, davon allein 127 an den deutschen Ost-Grenzen,

470 Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt Verletzungen, davon 290 an den deutschen Ost-Grenzen,

138 Flüchtlinge töteten sich angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen,

davon 50 Menschen in Abschiebehaft,

669 Flüchtlinge haben sich aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung

(Risiko-Hungerstreiks) selbst verletzt oder versuchten, sich umzubringen, davon befanden sich 399 Menschen in Abschiebehaft,

5 Flüchtlinge starben während der Abschiebung und

327 Flüchtlinge wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Mißhandlungen während der Abschiebung verletzt,

25 Flüchtlinge kamen nach der Abschiebung in ihrem Herkunftsland zu Tode, und mindestens

411 Flüchtlinge wurden im Herkunftsland von Polizei oder Militär mißhandelt und gefoltert oder kamen aufgrund ihrer schweren Erkrankungen in Notsituationen,

67 Flüchtlinge verschwanden nach der Abschiebung spurlos,

13 Flüchtlinge starben bei abschiebe-unabhängigen Polizeimaßnahmen,

390 wurden durch Polizei oder Bewachungspersonal verletzt, davon 129 Flüchtlinge in Haft.

67 Menschen starben bei Bränden oder Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte,

744 Flüchtlinge wurden z.T. erheblich verletzt,

13 Menschen starben durch rassistische Angriffe auf der Straße.

Ein Fazit:

Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen 351 Flüchtlinge ums Leben - durch rassistische Übergriffe oder bei Bränden in Unterkünften starben 80 Flüchtlinge.

Die Dokumentation umfaßt zwei Hefte. Beide Hefte zusammen kosten € 15 plus € 3,20 Porto Verpackung. HEFT 1 (1993 - 1999) 6 ¤ für 174 S. - HEFT 2 (2000 - 2006) € 10 für 230 S.- plus je € 1,60 Porto Verpackung.

Im Netz (zur Zeit noch die 13. Auflage) unter der Adresse: www.ari-berlin.org/doku/titel.htm

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